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Das BGE als Grundlage für sozialen Frieden

Aktualisiert: 29. Okt. 2019

Von Arne-Joris Meis - Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland ist günstig, trotzdem kommt sie bei vielen Menschen, vor allem im Niedriglohnsektor, nicht an. Sie arbeiten in prekärer Beschäftigung und sind kaum abgesichert. Deshalb müssen wir jetzt mit dem BGE umsteuern.


Arbeit bis zur Erschöpfung und ein Lohn, der kaum bis zum Monatsende reicht. In den letzten Jahren ist die Zahl der Beschäftigten in unsicheren, prekären Arbeitsverhältnissen wie Leiharbeit, Werkverträgen, befristeter Beschäftigung, Minijobs und Scheinselbständigkeit gestiegen. Prekär Beschäftigte können das eigene Leben kaum planen und sich schlecht eine berufliche Perspektive aufbauen. Sorgen um die berufliche Zukunft und Dauerstress machen krank. Trotz günstiger wirtschaftlicher Entwicklung in Deutschland bleiben Niedriglöhne, Armut und mangelnde gesellschaftliche Teilnahme für diese Menschen eine traurige Alltagserfahrung.


Deutschland befindet sich im Umbruch. Es steht vor bedeutenden Fragen eines modernen Sozialstaats. Ist das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) dafür die richtige Lösung? Ja, weil ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre gerade jetzt wichtig, wo in Deutschland die Ungleichheit immer mehr zunimmt und die Schere zwischen Arm und Reich immer mehr auseinanderklafft. Ein BGE wäre eine sehr sinnvolle Lösung, um diesen Prozess aufzuhalten. Es muss jetzt eine Umverteilung des Vermögens- und Verdienstes stattfinden, da der Prozess der sozialen Spaltung, der auch in Verbindung mit der politischen Spaltung steht, sonst nicht mehr aufzuhalten wäre.


Ebenso wäre das BGE nicht nur ein Symbolakt für mehr Gerechtigkeit, sondern auch für die Handlungsfähigkeit des Staates. Dies würde eine Stärkung des Vertrauens in die Regierung bewirken. Es könnten ehemalige „Volksparteien“, wie die SPD, durch das Eintreten für ein BGE wieder an Profil gewinnen und damit verlorene und enttäuschte Wähler, die zu extremistischen Parteien abgewandert sind, zurückgewinnen. Beispielsweise haben sich bei der letzten Bundestagswahl viele langjährige SPD-Wähler für die AFD entschieden, obwohl auch diese keine Lösungsansätze für die neue Spaltung Deutschlands bietet.


Die AfD hat keine Lösungen für soziale Probleme

Viele entschieden sich paradoxerweise für diese neoliberale Partei aufgrund von Existenzängsten. Von einem BGE würde ebenso die mit Abstiegsängsten konfrontierte Mittelschicht profitieren, da von einer solchen Maßnahme viele Arbeitnehmer profitieren würden. Es darf nicht sein, dass es in Deutschland eine unsoziale Schichtung gibt und bspw. Menschen, trotz fünf ausgeübter Jobs, um ihr Überleben kämpfen müssen. Mit dieser zentralen Frage zwischen Arm und Reich entsteht sehr viel Populismus und das BGE wäre somit auch eine gezielte Maßnahme, um dem einen Riegel vorzuschieben.


Ein Hauptargument ist vor allem, dass durch das BGE die bestehende Stigmatisierung durch das Arbeitslosengeld 2 (Hartz 4) entfällt. Dies würde auch vielen Leuten helfen, die sich vor Scham nicht beim Arbeitsamt melden. Für viele Arbeitnehmer ist der Weg zum Arbeitsamt eine Zumutung und oftmals auch ein Schuldeingeständnis an sich selbst, das auch in der Obdachlosigkeit enden kann. Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir die Schwerpunkte in Politik und Wirtschaft wieder mehr auf den sozialen Ausgleich lenken. Eine unzureichende Finanzierung, die von einigen Experten beklagt wird, gibt es nicht, weil das BGE durchaus praktikabel wäre, beispielsweise durch eine höhere Besteuerung von Besserverdienenden oder einer Anhebung der Erbschaftssteuer.


Eine gut ausgerechnete Option wäre bspw. die der Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen/Die Linke. Auch durch einen dann möglichen Entfall des fast gesamten Sozialetats wäre ein BGE durchaus gegenfinanzierbar. Beim BGE sollte der Schwerpunkt auf dem sozialen Ausgleich liegen. Ich denke, dass gerade durch den Anstieg der Kaufkraft der bisher unterprivilegierten Schichten die Wirtschaft angekurbelt werden würde. Einige Kritiker meinen, dass durch das BGE ein „System“ in Schieflage gerate durch die großen Umverteilungseffekte. Nicht wenige Ökonomen sehen den Niedriglohnsektor bislang als Teil der Lösung und nicht als Teil des Problems.


Allerdings kann der Niedriglohnsektor mit 4,2 Millionen Beschäftigten in Deutschland nicht mehr als Teil der Lösung gelten. Ein solches „System“ wird nach schlicht und einfach auf dem Rücken dieser Beschäftigten ausgetragen. Wenn dann auch noch den Anstieg der Lebensmittelpreise hinzukommt, erschließt sich einem immer mehr die Wichtigkeit eines BGEs in der heutigen Zeit. Not und Existenzangst nehmen in vielen Teilen der Bevölkerung zu und das in einer Ökonomie, die jahrzehntelang doch auch Reichtum und Wohlstand für viele geschaffen hat. Die Demütigung, unproduktive oder überflüssige Arbeit machen zu müssen, wird oftmals perfiderweise mit der Wiederherstellung der Würde der Beschäftigten gerechtfertigt.


Eine Demokratie funktioniert nur dann, wenn sie die Ziele demokratischer Mehrheiten auch gegenüber wirtschaftlicher Macht durchsetzen kann.

Ein massiver Eingriff in die existierende Ordnung des Systems ist somit nicht falsch, sondern notwendig, ebenso wie die Abschaffung des Niedriglohnsektors. Auch wird häufig die Umverteilung von Geld durch das BGE kritisch gesehen und als Faktor für weniger Wohlstand in Deutschland dargestellt. Es kann aber kein Wohlstand in der Gesellschaft herrschen, wenn nur die obersten zehn Prozent davon profitieren und die Vermehrung dieses Reichtums meistens auf Kosten der unteren „Schichten“ der Bevölkerung ausgetragen wird. Eine weitere Maximierung nur der Wirtschaft ist somit falsch.


Bei BGE-Gegnern wird natürlich immer die Wirtschaft im Vordergrund stehen. Allerdings ist es auch wichtig, bei dieser Frage auf die Gesellschaft zu achten. Beispielsweise darf nicht nur weiterhin auf die Profitinteressen von großen Unternehmen und deren Handlungsfähigkeit gesetzt werden, sondern es muss auch um die „kleinen Leute“ und ihre Interessen im aktuellen politischen Diskurs gehen. Eine Demokratie funktioniert nur dann, wenn sie die Ziele demokratischer Mehrheiten auch gegenüber wirtschaftlicher Macht durchsetzen kann.

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