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Wohlstandsbremse BGE

Von Florian Dittrich - Das vieldiskutierte bedingungslose Grundeinkommen könnte unsere Gesellschaft verändern. Doch statt Freiheit und Zufriedenheit zu bringen, gefährdet es, was Deutschland sich in der Vergangenheit hart erarbeitet hat: Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit.



Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) als mehr Gerechtigkeit schaffendes Transferkonzept und Ersatz für das bisherige deutsche Sozialsystem, bewegt aktuell nicht nur die Diskussionen in der Gesellschaft, sondern auch politische Debatten im Bundestag. Während Befürworter die geringere Abhängigkeit der Bürger von niedrig bezahlten Jobs und die stärkere Umverteilung anführen, entgegnen Kritiker die mangelnde Finanzierbarkeit des Systems und den langfristigen Verlust von Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.


In der vergangenen Woche hat Prälat Peter Kossen, selbst Befürworter des BGEs, im Rahmen eines Vortrags für den 12. Jahrgang der Liebfrauenschule seine Gedanken zu diesem Thema umfassend und informativ dargelegt. Die Maßnahme BGE sieht die Zahlung von monatlich 980€ an Erwachsene und 440€ an die Eltern eines Kindes ohne Erfüllung bestimmter Kriterien vor.


Weniger Bürokratie – Mehr Gerechtigkeit

Grundsätzlich soll das BGE verbessern, was an unserem aktuellen Sozialsystem, dessen Ursprünge im 19.Jahrhundert zur Kaiserzeit Otto von Bismarcks liegen, kritisiert wird. Besonders der Aufbau des Systems als Sozialversicherung, also direkte Gebundenheit von Leistungen an Bedarfssituationen bei gleichzeitig dauerhaft verpflichtender Einzahlung, führt demnach zu Ungerechtigkeit und fehlendem Solidaritätsgefühl innerhalb der Gesellschaft.


Die Reduzierung bürokratischen Verwaltungsaufwandes durch die Vereinfachung des bisherigen System führt zu umfassenden Einsparungen und ist für die Bürger transparenter, da jeder den gleichen Anspruch auf die Zahlung des monatlichen BGEs hat. Nur die Bearbeitung von Leistungsansprüchen besonderer Einzelfälle muss nach Einführung des BGEs wie im alten Versicherungssystem von Staatsbediensteten übernommen werden.

In den letzten Jahren ist der Arbeitsmarkt zunehmend dynamischer geworden und die Globalisierung führt genauso wie die Mechanisierung zu höheren Ansprüchen an die Qualifikationen der Arbeitnehmer. Weil diese Gruppe der Gesellschaft trotzdem arbeiten muss, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, ist der Niedriglohnsektor gewachsen. Dieser regelrechte Arbeitszwang führt zudem durch geringe Einzahlungen in die bestehende Rentenversicherung zur größeren Gefahr der Altersarmut.


Das BGE ist deshalb eine attraktive Alternative, weil es die Arbeitnehmer aus der Verpflichtung, einen dieser schlecht bezahlten Jobs anzunehmen, löst und die Weiterbildung sowie die ehrenamtliche Arbeit für Gemeinschaftszwecke ohne andauernde Existenzangst ermöglicht. Befürworter sehen in dem BGE außerdem eine Möglichkeit, den Konsum in Deutschland anzukurbeln und somit die Wirtschaft zu stärken, indem mehr Bürger Geld zur freien Verfügung haben, welches zuvor größtenteils in den Anlagen der wohlhabenderen Gesellschaft verborgen lag.


Ein System gerät in Schieflage

Der massive Eingriff in die existierende Ordnung schafft jedoch auch Unverständnis und Bedenken aufgrund der gesellschaftlichen Bedeutung und möglichen Auswirkungen des BGEs. Das BGE in der geforderten Form hat ein Finanzvolumen von ca. 700 Milliarden, ein beachtlicher Betrag wie bei dem Blick auf den Bundeshalt der Bundesrepublik Deutschland klar wird. 2017 betrug dieser ca. 330 Milliarden (bundeshaushalt.de), sodass selbst bei Einsparungen im Sozialhaushalt durch das BGE mindestens fünfmal mehr Geld zur Verfügung stehen müsste als bisher. Auch die Gegenfinanzierung durch die gleichzeitige Abschaffung der Sozialversicherungen ist kritisch zu betrachten, da hiermit zwar die Finanzierung möglich ist, das seit Jahren bewährte System und das Belohnungsprinzip im Rentenalter für gute Verdienste im Berufsleben aber verloren ginge.


Das immens hohe Transfervolumen durch das BGE schafft dauerhaft starke Abhängigkeiten zwischen dem Staat und den Bürgern. Nimmt der Staat beispielsweise durch eine Schwächephase der Wirtschaft weniger Steuern ein, besteht trotzdem der Anspruch auf Zahlung des BGEs und das System gerät in Schieflage. Auch der dauerhafte Transfer von Staatseinnahmen an Besserverdienende, die ohnehin zu den Finanziers des Systems gehören, erscheint aus dieser Perspektive unsinnig.

Obwohl des BGE grundsätzlich das Sozialsystem vereinfachen soll, ist es selbstverständlich, dass es Ausnahmeregelungen für diejenigen geben muss, die bei Zahlung des BGEs in Zukunft durch hohen finanziellen Aufwand bei z.B. Pflege effektiv weniger Geld zur Verfügung haben. Dadurch werden jedoch die angeführten Erleichterungen in Effizienz und Transparenz nivelliert.


Das BGE muss über eine höhere Mehrwertsteuer und höhere Steuern für Unternehmen finanziert werden. Dies führt langfristig zu einem Preisanstieg der Waren aufgrund steigender Abgaben. Gleichzeitig sinkt die Motivation der Unternehmer zu investieren, da höhere Abgaben die finanziellen Anreize erfolgreicher Investitionen schmälern. Auch das Lohnniveau muss vermutlich disproportional zur Produktivität angehoben werden, um die geringere Arbeitsmotivation der Arbeitnehmer, bedingt durch das BGE, auszugleichen.

Dies führt zu der nicht zu unterschätzenden Gefahr für die bisher größtenteils am Leistungsprinzip orientierte deutsche Wirtschaft, falls Arbeitnehmer das BGE als Anlass zur Untätigkeit sehen oder Deutschland global durch steigende Preise an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Letzteres kann darüber hinaus zum Export der Produktion in produktionsgünstigere Länder führen oder dazu, dass ausländische Arbeitnehmer, die nicht berechtigt sind, das BGE zu beziehen, die Tätigkeiten der untätigen Deutschen übernehmen. In beiden Fällen bedeutet dies schrumpfende Steuereinnahmen des Staates bei gleichzeitig steigenden Ausgaben für das BGE.


Staatlicher Transfermechanismus nicht förderlich

Das BGE als sozialpolitischer Vorstoß zur stärkeren Umverteilung innerhalb Deutschlands beschäftigt sich mit Fragen, die eine hohe gesellschaftliche Relevanz haben und nicht unbeantwortet bleiben dürfen. Neben der Bekämpfung der wachsenden Altersarmut muss auch für die teils mangelnde Transparenz und dadurch entstehende Unzufriedenheit eine sinnvolle Lösung für die heutige Zeit gefunden werden.


Dennoch ist das BGE als Lösungsansatz für diese Fragen sicherlich nicht praktikabel. Neben ungeklärten Fragen der Finanzierbarkeit stellt das BGE vor allem einen großen Eingriff in unsere Gesellschaftsordnung dar. Der im Grundgesetz verankerte Entwurf der sozialen Marktwirtschaft wird durch das BGE um große marktwirtschaftliche Anteile, wie ein angemessenes Leistungsprinzip, beraubt. Ferner haben Eingriffe in laufende Strukturen unvorhersehbare Auswirkungen zur Folge, die auch aufgrund fehlender Erfahrungen in einer funktionierenden Volkswirtschaft mit 80 Millionen Einwohnern unermessliche Schäden der deutschen Wirtschaft bedeuten können. Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, dass diese Form des staatlichen Handelns bisher unbekannte Ungleichgewichte erzeugen, die erneut in Teilen des Volkes den Ruf nach Reform auslösen.

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