Von Sarah Boles - Das Thema "Gendern - oder nicht Gendern?" spaltet die Gesellschaft. Gerade online kochen die Emotionen oft hoch. Zeit für eine nüchterne Betrachtung.
Im deutschen Sprachraum wird häufig das sogenannte „generische Maskulinum“ verwendet. Dabei werden männliche Bezeichnungen genutzt, wenn über Personengruppen bestehend aus Männern und Frauen gesprochen wird. So heißt es beispielsweise „die Lehrer“ und „die Schüler“. Doch die männlichen Formulierungen stellen für viele Menschen einen Widerspruch zum fortschrittlichen, diversen Bild der Gesellschaft und der Forderung nach Gleichberechtigung dar.
Möglichkeiten des Genderns
Eine Alternative zum generischen Maskulinum ist die Verwendung geschlechtergerechter Sprache - auch als "Gendern" bezeichnet. Es gibt verschiedene Möglichkeiten des Genderns:
Weit verbreitet ist die Doppelnennung, bei welcher Frauen und Männer aufgeführt werden, so heißt es statt „die Lehrer“, „die Lehrerinnen und Lehrer“. Ebenfalls oft verwendet werden der Genderstern „Lehrer*innen“ oder ein Schrägstrich „Lehrer/innen“. Dahingegen wird bei der Neutralisierung auf geschlechtliche Bezeichnungen verzichtet, wodurch eine Sprechpause wie beim Genderstern vermieden werden kann, so wird z.B. aus „die Lehrer“ „die Lehrkräfte“.
Es wurde über viele weitere Formen des Genderns diskutiert. Der Schriftsteller Hermes Phettberg erfand das sogenannte „Entgendern“, wobei anstelle von Personenbezeichnungen ein „Y“ an den Begriff angehängt wird, „die Lehrys“. Für viel Aufruhr sorgte auch Prof. Dr. Lann Hornscheidt mit der Idee „ens“, den mittleren Wortbestandteil von Mensch, als Wortendung zu verwenden, was aus den Lehrenden „die Lehrens“ macht.
Kontroversen um gendergerechte Sprache
Das Gendern ruft gegensätzliche Reaktionen hervor. In den sozialen Netzwerken sind Kommentare von „So ein völliger Schwachsinn“ bis „Gendern ist absolut wichtig“ zu geschlechtergerechter Sprache zu finden. Mir persönlich gefällt die Idee gendergerechter Sprache. Sie überträgt den Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter, welche bereits seit 1949 im Grundgesetz verankert ist, in unseren Alltag. Auch wenn wir uns selbst oft als eine fortschrittliche, liberale, aufgeschlossene Gesellschaft bezeichnen, können die noch existierenden geschlechterspezifischen Probleme, wie die Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen, nicht ignoriert werden. Das Gendern kann diese Probleme zwar nicht beheben, es sorgt aber dafür, dass alle Geschlechter sprachlich als gleichwertig anerkannt werden. Zudem wird es auf lange Sicht dazu beitragen, etablierte Rollenbilder zu verändern, da die Menschen angeregt werden, offener über klischeehafte Rollen zu denken. Insgesamt schafft Gendern Toleranz und ist somit ein Fortschritt, der dazu beiträgt, unsere Gesellschaft zu einer gleichberechtigten Gemeinschaft zu formen.
Für viele Personen, die sich gegen das Gendern aussprechen, ist das Sprachempfinden ein wesentliches Argument. Gegenderte Sprache empfinden viele Menschen als umständlich, sie stört ihren Lesefluss. Dies trifft jedoch nicht auf alle Arten geschlechterneutraler Formulierungen zu, wie die Neutralisierung zeigt. Des Weiteren befindet sich unsere Sprache in einem durchgängigen Wandel und neuartige Sprachkonstrukte, die uns heute umständlich erscheinen, können schon morgen fester Bestandteil unseres Wortschatzes sein.
Definitiv stehen wir momentan vor bedeutenderen Herausforderungen, als der, die Frage nach der Relevanz des Genderns zu beantworten. Nichtsdestotrotz ist die Bedeutung geschlechterneutraler Sprache zu wichtig, um sie zu ignorieren. Durch die eigene Ausdrucksweise beziehen wir automatisch Position, je nachdem, ob wir Gendern oder nicht.
Liebe Sarah,
vielen Dank für deine „nüchterne Betrachtung“ einer von interessierter Seite geschürten Debatte, die den Erniedrigten und Geschundenen dieser Welt wie der blanke Hohn vorkommen muss.
Ich teile uneingeschränkt deine bilanzierende Einschätzung: „Definitiv stehen wir momentan vor bedeutenderen Herausforderungen, als der, die Frage nach der Relevanz des Genderns zu beantworten.“
Gegen Gewalt, Unterdrückung und Intoleranz Position zu beziehen, war schon immer eine Notwendigkeit. Und heute mehr denn je. Wenn – wie z.B. unter der Herrschaft so genannter »Gotteskrieger« – Mädchen von Jungen getrennt unterrichtet wurden (inzwischen werden jene gar nicht mehr unterrichtet, dürfen aber -vorläufig- wenigstens am Leben bleiben) und ganz rational kalkulierende Terroristen im Namen des Islam extra abwarten, bis die Jungen die Schule verlassen haben und von…