Von Emma Wulf - Diese Woche kündigte die "Ampel-Koalition" an, das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche abzuschaffen. Doch wie sieht es mit dem Paragraf 218 aus? Und was hat das alles mit uns zu tun? Über ein sensibles Thema in aufgeregten Zeiten.
Schockiert blickten wir nach Polen, als Anfang dieses Jahres das Abtreibungsverbot dort verschärft wurde. So ein Verbot in einem europäischen Land, unvorstellbar!
Warum Abtreiben nicht mehr kriminalisiert werden sollten
Eine ungeplante Schwangerschaft kann viele Schwierigkeiten verursachen. Viele Frauen fühlen sich weder mental noch körperlich bereit ein Kind auszutragen. Besonders ungeplante Schwangerschaften in jungen Jahren gehören dazu. Junge Frauen und Teenager haben oftmals kleinere Körper, die unter diesen Bedingungen stark leiden würden. Auch psychische fehlt in die Reife und sie können noch nicht die Verantwortung für ein Kind tragen. Dabei kommt natürlich auch der finanzielle Faktor hinzu. Diese Argumente treffen auf Frauen jeden Alters zu. Eine Schwangerschaft birgt immer Gesundheitsrisiken. Auch heute noch sterben Frauen bei der Geburt. Sie können postpartale Depressionen nach der Geburt erleiden. Die Entscheidung zur Abtreibung wird sowohl wegen der Sorge um das eigene Wohl als auch die Sorge um das Kindeswohl getroffen. Eine Frau zu zwingen, eine ungewollte Schwangerschaft auszutragen, gefährdet somit das Wohl der Frau und des Kindes. Hinzu kommen auch kriminologische Gründe für das Abtreiben, wenn z.B. eine Frau vergewaltigt wurde. Es wäre unmenschlich, ein Opfer einer Vergewaltigung zu zwingen, den Fetus zu behalten. Bei knapp 8.000 Vergewaltigungen in Deutschland pro Jahr ist dies kein seltener Fall. Es gibt also diverse Gründe, die Abtreibungen nachvollziehbar machen. Die Freigabe des Kindes zur Adoption ist für die meisten Frauen auch keine Option, da Risiken der Schwangerschaft bestehen bleiben und bedacht werden muss, dass auch in Deutschland viele Kinder im Kinderheim leben - auch die psychischen Folgen einer Trennung nach der Geburt sollten erwähnt werden. Zusammenfassend: Paragraf 218 ist ein Gesetz, welches Frauen seit Jahrzehnten psychische und physische Probleme bereitet.
Vielen ist dabei nicht bewusst, dass in Deutschland Abtreibungen laut Paragraf 218 im Strafgesetzbuch verboten sind. Aber man kann doch Abtreibungen durchführen lassen und dafür nicht bestraft werden, oder nicht? Richtig, Abtreibungen sind unter bestimmten Bedingungen straffrei. Doch das bedingt straffreie Verbot bringt viele Probleme mit sich.
Was das Gesetz besagt
Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Handlungen, deren Wirkung vor Abschluss der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter eintritt, gelten nicht als Schwangerschaftsabbruch im Sinne dieses Gesetzes.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
1. leichtfertig die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung der Schwangeren verursacht.
2. Begeht die Schwangere die Tat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe
3. Der Versuch ist strafbar. Die Schwangere wird nicht wegen Versuchs bestraft.
Was das Gesetz für Frauen bedeutet
Bis zur zwölften Woche ist jedoch der Schwangerschaftsabbruch ohne die Notwendigkeit von besonderen Gründen straffrei. Danach braucht die Schwangere einen besonderen Grund wie beispielsweise eine Behinderung des Kindes. Die zwölf Wochen, die eine Frau hat, scheinen zunächst nach ausreichend Zeit. Jedoch vergisst man dabei, dass die Frauen die Schwangerschaft oft in den ersten Wochen nicht bemerken. Nun bleibt schon einmal weniger Zeit. Ein Beratungstermin vor der Abtreibung ist Pflicht, doch es ist nicht selten, dass Institutionen, die z.B. mit der Kirche zusammenhängen, Schwangere beeinflussen wollen. Zudem kommt das Problem des Mangels an Mediziner:innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, hinzu. Dazu trägt natürlich das Verbot von Abtreibungen bei, indem das Gesetz als moralischer Kompass dient, und somit auch den Job unattraktiver macht.
Auch die Suche nach Praxen ist durch Paragraf 219a im StGB (Werbeverbot) sehr mühsam. Das Verbot für Werbung für Schwangerschaftsabbrüche erschwert die Suche extrem. Der Sinn eines solchen Gesetzes sollte hinterfragt werden, denn Informationen zu Durchführungen von Abtreibungen sollten gut zugänglich für Frauen sein. Außerdem suggeriert dieses Gesetz, dass Frauen sich durch Werbung zu einer Abtreibung bewegen lassen würden.
Dieses Bild von Frauen als Personen, die sich der Tragweite ihrer Entscheidung nicht bewusst sind, wird gerne von Gegner:innen der Abtreibung verbreitet. Den Frauen wird die Kompetenz und Intelligenz für schwere Entscheidungen abgesprochen. Dass Informationen zu Abtreibungen keine Werbung ist, wird ebenfalls gerne von Gegner:innen ignoriert. Informationen wie diese sind für die Gesundheit der Frauen notwendig, denn nicht alle Praxen führen die gleiche Art von Abtreibung durch. Bei diesem Thema kommt ein weiteres Problem hinzu: Abtreibungen werden häufig nicht in dem Medizinstudium thematisiert und beigebracht. Mediziner:innen bringen sich es selbst bei oder es wird ihnen von Kolleg:innen beigebracht. All diese Punkte belasten Schwangere, die abtreiben wollen immens. Manche Frauen werden von diesen Belastungen und Beschränkungen in eine Situation gebracht, in der sie die Abtreibung selbst durchführen. Von den Gefahren der selbstdurchgeführten Abtreibungen will ich gar nicht erst anfangen .
Jedoch ist Besserung in Sicht, nach Koalitionsvertrag der SPD, den Grünen und der FDP wird nun zunächst Paragraf 219a gestrichen. Der Koalitionsvertrag spricht aber leider nicht von der Abschaffung des Paragraf 218 und somit werden Frauen auch in Zukunft dafür kämpfen müssen. Wie zeitgemäß kann denn ein Gesetz aus 1871 sein ? Nach 150 Jahren Bestehen, ist es Zeit Gesetze, welche die Autonomie der Frauen einschränken, zu streichen.
Mehr Informationen zu dem Thema, zur Kampagne "150 Jahre Wiederstand gegen §218 - Es reicht", zum "Berliner Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung" und der Sicht der Beratungsstelle "Pro Familia" findet ihr hier.
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