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Aufbruch der jungen Generation

Von Leonard Püschel - Die Proteste gegen die EU-Urheberrechtsreform und die Klimapolitik, das „Zerstörungsvideo“ des YouTubers Rezo und zuletzt auch die Analysen der Europawahl offenbaren klare politische Vorstellungen der jungen Generationen - und auch parteipolitische Trends der Zukunft.



Erst gestern protestierten einige Jugendliche im Rahmen des Planspiels „Jugend und Parlament“ gegen die Klimapolitik der Bundesregierung, indem sie sich vor dem Rednerpult von Wolfgang Schäuble totstellten und ein Banner mit der Aufschrift „Eure Klimapolitik = Katastrophe“ hochhielten.1 Dieser Protest bildet beispielhaft einen Vorgang ab, der in der letzten Zeit stattgefunden hat: die Politisierung der jungen Generation. Dies äußert sich in politischem Engagement im Netz sowie in Demonstrationen auf der Straße. Nicht nur der eben benannte Vorfall zeigt auch die Intensität der Politisierung, sondern ebenfalls die Wortwahl, die beispielsweise bei der Bewegung „Fridays for Future“ vorherrscht. So wiederholt die Ikone der Bewegung Greta Thunberg immer wieder: „I want you to panic!“2


Wofür steht die junge Generation ein?

Welche Themen und Inhalte der jungen Genration wichtig sind, zeigen vor allem die Demonstrationen, die von jungen Menschen besucht werden. Im Fokus steht dabei klar das Thema Klimaschutz und Klimapolitik: Die Bewegung „Fridays for Future“ hat sich von vereinzelten Demonstrationen zur einer koordinierten Organisation mit klaren Zielen entwickelt. Fast in jeder größeren Stadt gibt es lokale Gruppen, die über soziale Medien organisiert sind. Seit April hat die Bewegung auch klare Ziele formuliert: Bis 2035 soll ein „Nettonull“ bei den Emissionen erreicht werden und die Energieversorgung zu 100% durch erneuerbare Energien gedeckt sein, bis 2030 soll der Kohleausstieg geschehen. Dies soll durch eine CO2-Steuer erreicht werden, wobei eine Tonne CO2 zukünftig 180€ kosten soll.3


Neben dem Umweltschutz hat sich im Zuge der EU-Urheberrechtsreform ein weiteres politisches Ziel der jungen Generation herauskristallisiert, nämlich genau die Verhinderung dieser Reform. Hierbei haben vor allem die YouTuber im Netz zu Demonstrationen aufgerufen und die Debatte hat sich stark aufgrund gegenseitiger Diffamierung der Streitparteien stark erhitzt. (Mehr zum Thema EU-Urheberrechtsreform) Beide Themen, Umweltschutz und Urheberrechtsreform, haben eine entscheidende Gemeinsamkeit: Die jungen Menschen fühlen sich von der älteren Generationen und den etablierten Parteien Union und SPD nicht genug angehört und nicht richtig verstanden. Im Forderungsschreiben der Bewegung „Fridays for Future“ zur Klimapolitik heißt es: „Da die Politik [die Verantwortung für die Priorisierung des Klimaschutzes] kaum wahrnimmt, sehen wir uns gezwungen, weiter zu streiken, bis gehandelt wird!“4 Der YouTuber „Dner“ sagt bei Maybrit Illner in Bezug auf die EU-Urheberrechtsreform zu dem Journalisten Stefan Aust: „Ich glaube, Sie verstehen das [gemeint ist die Urheberrechtsreform] auch nicht!“5 Auch der YouTuber „Rezo“ äußert in seinem Video „Die Zerstörung der CDU“6 massive Kritik an den etablierten Parteien und signalisiert, dass diese auf die Proteste und Meinungen der jungen Generation nicht genug eingehen.


Die Europawahl bestätigt parteipolitische Tendenzen der jungen Generation

In welche Richtung die junge Generation parteipolitisch tendiert, lässt sich bereits an den Themen erahnen. Dies manifestiert sich nun in der Europawahl: Die Grünen gewinnen massiv an Stimmen und erzielen mit 20,5% ein Rekordhoch. Das verdankt die Partei, wie Statistiken der „Forschungsgruppe Wahlen“ belegen, vor allem den jüngeren Menschen. Demnach sind die Grünen bei den unter 30-jährigen wahlberechtigten Personen mit ca. 31% klar die stärkste Kraft und selbst bei den unter 60-jährigen hat die Partei noch knapp vor der Union die meisten Stimmen. Bemerkenswert bei den Grünen im Vergleich zu den etablierten Parteien ist dabei Folgendes, wenn man die wahlberechtigen Personen in Altersgruppen aufteilt: Mit steigendem Alter werden die Grünen weniger gewählt. Für FDP und Linke gilt das gleiche wie für die Grünen.7 Diese Statistiken belegen einen Trend, der bereits bei vergangenen Wahlen zu beobachten war, nämlich den Rückgang der etablierten Volksparteien und den Aufschwung „kleinerer“ Parteien, vor allem von den Grünen.


Jetzt erst recht Wahlrecht ab 16?

Die Forderung nach einem Wahlrecht ab 16 ist nicht neu in der politischen Debattenlandschaft, doch gerade jetzt, wo die Jugend so politisiert ist, ist es richtig, diese Frage erneut zu erörtern. Grüne, SPD und Linke setzen sich auf europäischer Ebene dafür ein. Das Wahlrecht ab 16 diene dazu, junge Menschen mehr an demokratischen Prozessen zu beteiligen. Die Grünen argumentieren damit, dass das Wahlrecht Generationengerechtigkeit herstelle, da es die jüngere Generation mehr mit in die Politik einbeziehe. Union und FDP sprechen sich dagegen aus. Beide Parteien empfinden es als wichtig, dass das Wahlrecht an die Volljährigkeit gebunden ist, da so Rechte an Pflichten gekoppelt seien. Die FDP schlägt, um Jugendlichen politische Partizipationsmöglichkeiten zu bieten, stattdessen vor, Jugendparlamente nach schottischem Vorbild zu initiieren. Außerdem wird ein kommunales Wahlrecht ab 16 von den Liberalen als möglich angesehen, da ein lokaler Bezug gegeben ist.8 Die Frage nach dem Wahlrecht ab 16 Jahren bleibt nach wie vor eine wie viele Fragen, die sich damit beschäftigen, ab welchem Alter man bestimmte Tätigkeiten ausüben oder Kompetenzen haben darf. Das Wahlrecht ab 16 bleibt also eine Frage der Verantwortung, der Verhältnismäßigkeit und der Angemessenheit.


Perspektiven

Viele Fragen bleiben für die Zukunft offen: Wie wird die junge Generation die Politik weiter auf Trab halten oder provozieren? Fühlt sich die junge Generation an einem Punkt so wenig verstanden, dass ein Generationenkonflikt droht? Wie verändert sich das Wählerverhalten der jungen Menschen, wenn die Klimakrise überwunden oder nicht überwunden wird? Wie verändert sich die Parteienlandschaft in der Zukunft und wer wird zukünftig Deutschland regieren? Klar bleibt aber, dass die etablierten Volksparteien vor einer großen Herausforderung stehen. Die Ablehnung dieser Parteien ist bei den jungen Menschen stark ausgeprägt. Union und SPD müssen es schaffen, diese Menschen wieder zu erreichen, sie mit in ihre Politik zu integrieren und ihnen das Gefühl geben, verstanden zu werden.


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