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So macht das Copyright keinen Sinn

Von Tim Kunad - Eine Passage eines Katy-Perry-Songs soll abgekupfert sein – wegen fragwürdiger Ähnlichkeiten. Was genau verglichen wurde und warum dieses Urteil nur Verwirrung stiftet, erklärt der unser Redakteur.


Produziert Ohrwürmer am laufenden Band: Katy Perry. Doch klaut sie auch von Kollegen?

Bild: Imago


Ende letzten Monats befand eine federal jury in den USA, dass Katy Perrys Hitsong „Dark Horse“ das Copyright des Liedes „Joyful Noise“ von Rapper Flame verletze. Ungefähr 2,8 Millionen Dollar muss das Perry-Team nun an Flame überweisen. Der Rechtsstreit wurde durch das Synthesizer-Ostinato entfacht. Angeblich teilten sich die Lieder „five or six points, including pitch, rhythm, texture, pattern of repetition, melodic shape and timbre“ (Übersetzung: „fünf oder sechs Ähnlichkeitspunkte, einschließlich Tonhöhe, Rhythmus, Textur, Muster der Wiederholung, melodische Form und Klangfarbe“), so Todd Decker, Vorsitzender des Musikinstituts der Washington University. Diese seien so einzigartig, dass Dark Horse somit als Komposition von Joyful Noise abgekupfert wurde.


Die Tonhöhe wird nicht weiter definiert. Da Dark Horse in F#-Dur und Joyful Noise in A-Moll stehen, ist aber davon auszugehen, dass Decker die Höhe des Tones innerhalb einer Tonleiter meint. Tatsächlich teilen sich die Tonleitern der beiden Tonarten nämlich lediglich das H als gemeinsamen Ton. Allerdings ist – innerhalb der Tonleiter gedacht – ein absteigendes, aus Viertelnoten bestehendes Ostinato keine Seltenheit. Schon nach kurzer Recherche können mehrere Musikstücke (z.B. „Go Down, Moses“, Bachs Violinsonate in F-Moll und das Weihnachtslied „Jolly Old Saint Nicholas“) ausfindig gemacht werden, die ebenfalls einen sehr ähnlichen Melodieverlauf und eine ähnliche Tonhöhe haben. Es dürfte nicht schwer sein, eine nicht geringe Anzahl weiter Beispiele zu finden, für die dies zutrifft. Somit sind also Rhythmus, Tonhöhe, Textur und melodische Form, also vier der sechs Punkte gar nicht so einzigartig, wie Decker behauptet.

Als nächstes wird das Muster der Wiederholung angeführt. Auch hier ist fraglich, was genau gemeint ist. Geht es um das Ostinato selbst oder vielleicht doch eher um dessen Wiederholung innerhalb des Songs? Egal. Für beides gilt: Es unterscheidet sich in Dark Horse deutlich von dem in Joyful Noise. So ist das Ostinato in Dark Horse nicht vier, sondern nur zwei Takte lang und wird, im Gegensatz zu Joyful Noise, im Refrain gar nicht gespielt.

Bleibt noch die Klangfarbe. Und hier ist der Unterschied zwischen den beiden Liedern so deutlich, wie er eigentlich nur sein kann. Während der Synthesizer in Joyful Noise aus einer Supersaw (rohes, sehr synthetisches Klangbild) besteht, ist der Sound, den Katy Perry in ihrem Lied verwendet, ein „windiger“, stimmenähnlicher Ton, welcher aus dem Lied Moments in Love der Band Art of Noise gesamplet wurde.


Keiner der Punkte ist also so einzigartig, wie Todd Decker dies angeführt hat oder gar zutreffend – und der Vorwurf der Urheberrechtsverletzung sollte somit eigentlich nicht haltbar sein. Zu seiner Vorgehensweise sagte Decker: „The most important tool is listening.” (Übersetzung: „Das wichtigste Werkzeug ist das Zuhören“). Soso. Empirische Studien unter der Leitung der Rechtsexpertin Jamie Lund weisen darauf hin, dass das menschliche Gehör den Faktor ,Ähnlichkeit‘ nicht primär an Melodie, Harmonie und Rhythmus festmacht, sondern vielmehr an Lautstärke, Instrumentalisierung und Stil. Wo genau ist dann diese Aussage für das Erkennen der Ähnlichkeit vom zwei Kompositionen legitim oder auch nur valide?


„Bis die Richter diese perfide – oder vielleicht auch einfach nur sinnlose – Verschmelzung von Klang und Musik durch ,erfahrene‘ Musikwissenschaftler erkennen und zügeln, [...] können wir einen fortdauernden Blitz von unbegründeten Behauptungen wie dieser erwarten und die schädlichen Einschränkungen und Zweideutigkeiten, die sie populären Musikern und der amerikanischen Musikindustrie auferlegen“, kommentierte der Rechtsanwalt Charles Cronin das Urteil. Und er hat Recht! In Zeiten des Internets hat ein jeder Zugriff auf unzählige Musikstücke und Kompositionen – von den größten Stars bis hin zur kleinen Schulband. Wenn Copyright-Bestimmungen wie in diesem US-Fall ad absurdum geführt werden, gibt es irgendwann nur noch Kläger und Angeklagte.


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