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Mehr „Cappuccino“ für höhere Erzeugerpreise

Von Florian Dittrich - Der EU-Haushalt umfasst 153 Milliarden Euro, mehr als ein Drittel davon sind für die Landwirtschaft vorgesehen. Dass die EU dadurch zum „Bauernretter“ wird, bezweifelt unser Autor.



Landwirtschaftliche Betriebe (Symbolbild) werden von der EU subventioniert.

Bild: Imago


Weniger als eine Tasse Cappuccino am Tag – das kostet uns Deutsche die Europäische Union, wie aus dem oft zitierten Kosten-Nutzen-Vergleich Jean-Claude Junckers zu den Vorteilen der EU deutlich wird. Insgesamt 153 Mrd. Euro umfasst so der Mitte November veröffentlichte Haushalt für 2020.


Bei einem genaueren Blick auf die Struktur der geplanten Ausgaben fällt besonders der hohe Anteil der Landwirtschaft auf: Mehr als ein Drittel des Haushaltes entfallen auf die Förderung der europäischen Landwirte – aber warum genau die Landwirtschaft, obwohl diese 2018 nicht einmal 1,5 Prozent des europäischen Bruttoinlandsproduktes ausmachte?


Diese Frage stellt sich zurecht mit Blick auf die Verwendung der Mittel: Allein deutsche Landwirte erhalten jährlich Direktzahlungen in Höhe von fünf Mrd. Euro von der EU für die umweltgerechte Bewirtschaftung der Ländereien. Pro Hektar entspricht dies – je nach Prämienanspruch – einer Zahlung von 250 bis 345 Euro. Ziel der Zahlungen sind der Ausgleich von globalen Wettbewerbsnachteilen durch höhere ökologische Standards sowie die Einkommenssicherung der Bauern, bei denen die Förderspritze tatsächlich einen nicht unerheblichen Teil der Einnahmen ausmacht.


Der marktwirtschaftliche Wettbewerb wird folglich stark durch die EU verzerrt. Dies hat, um nur ein paar Auswirkungen zu nennen, steigende Preise für landwirtschaftlicher Nutzflächen und die seit Jahren niedrigen Erzeugerpreise zur Folge. Und nicht nur das! Die Subventionen der Landwirtschaft haben in der Vergangenheit mehrfach für Ungleichgewichte auf dem Weltmarkt gesorgt, in Folge derer etwa afrikanische Bauern ihre selbstproduzierten Milchprodukte oder Tomaten nicht verkaufen konnten, weil die europäischen Erzeugnisse, trotz langer Reise, billiger waren. Obwohl der EU-Binnenmarkt selbst mit über 80 Prozent der Hauptabnehmer der heimischen Bauern ist, wird also in Kauf genommen, das globale Marktgleichgewicht so zu gefährden?


Eine absurde Vorstellung, da auf der anderen Seite afrikanische Landwirtschaftsprojekte in Entwicklungsländern seit Jahren ebenfalls durch die EU subventioniert werden. Der Verbraucher wird bisher von der EU vor einer zwingend notwendigen Erhöhung der Lebensmittelkosten bewahrt. Naturverträgliche Landwirtschaft wird zwar vom Verbraucher gefordert, jedoch durch die indirekten Zahlungen Brüssels und nicht direkt über den Erzeugerpreis bezahlt.


Aber wie soll der Verbraucher ein Bewusstsein für leistungsgerechte Bezahlung bekommen, wenn der wahre Preis der Erzeugnisse seit Jahren von der EU verzerrt wird? Die EU als „Bauernretter“ ist mit den Subventionen zum Schutz der Landwirte der Erhöhung der Preise zuvorgekommen, bevor der Preis sich im marktwirtschaftlichen Prozess selbst regulieren konnte.


Die Konsequenz ist folgende: Obwohl die anteiligen Ausgaben vom Einkommen für Lebensmittel in Deutschland so niedrig wie kaum sonst und nie zuvor sind, ist unsere Landwirtschaft auf Subventionen angewiesen. Die gut gemeinten Direktzahlungen der EU an Landwirte bringen die marktwirtschaftlichen Mechanismen ins Wanken und nur schwer zu kontrollierende Nebenwirkungen mit sich – ein Anlass zu überlegen, ob langfristig jede dritte Tasse Cappuccino statt in den EU-Haushalt nicht besser direkt in die Erhöhung der Preise für Erzeugnisse unserer heimischen Bauern fließen könnte.


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