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Krisensitzung I: Die Pandemie und Ostern

Aktualisiert: 16. Apr. 2020

Von Johanna Tapper - Pandemien waren für uns bisher Phänomene von Netflixserien und Geschichtsbüchern. Inzwischen hält die Corona-Krise die ganze Welt in Atem und ist dabei einschneidender, als wir es je für möglich gehalten hätten. Der erste Beitrag aus der neuen Kolumne "Krisensitzung".



Das wird ein ungewohntes Familienfest. Es scheint als hätte jeder besseres zu tun, als das Haus zu schmücken, Stuten zu backen und was man nicht sonst noch so alles tut. Unsere Routine ist vom Coronavirus so sehr ausgehebelt worden, alle Veranstaltungen abgesagt, Arbeitsplätze ins "Homeoffice" verschoben, Kontaktgruppen zerrissen, dass man vom noch nicht abgesagten Osterfest ganz überrascht wird. Doch da steht es im Kalender, so unverrückbar und vertraut wie eh und je, erst Palmsonntag, wenig später Gründonnerstag, dicht gefolgt von Karfreitag und den Osterfeiertagen. Und wie soll das ganze jetzt aussehen, ohne Osterfeuer und Familienbesuche? Wenn es ganz hart auf hart kommt vielleicht schon wieder ohne Mehl und Hefe? Im Homeoffice gleicht doch ohnehin jeder Tag dem anderen, da würde ich es niemandem verdenken, dass er Ostern gar vergisst oder verschläft.


Selbst wenn dem so ist, Traditionen über den Haufen geworfen werden und Ostern nicht wie im gewohnten Rahmen gefeiert wird: Das Gefühl, verlassen und fern zu sein von Freunden und Familie und verraten von allem, was wir für sicher erachtet hatten, der Gedanke von Ungerechtigkeit, Willkür und Aussichtslosigkeit, all das können gerade viele von uns auf eine nie für möglich gehaltene Weise nachempfinden. Wir alle wünschen uns irgendeine Art von Ausblick auf ein gutes Ende der Krise, Hoffnung und Trost. Und damit wird die eigentliche Botschaft des Festes greifbarer als gewohnt.


Wir dürfen uns nichts vormachen, die Wiederauferstehung unserer Normalität wird weit länger dauern als ein paar Feiertage. Deshalb gilt es jetzt mehr als alles andere, dieses neue Verständnis für die Osterbotschaft in helfende Taten umzusetzen. Wir müssen um jeden Preis die räumliche Distanz untereinander aufrechterhalten. Wir müssen zuhause und über Telefonleitungen feiern und Gottesdiensten im Fernsehen oder Radio folgen. Ostereiersuchen im Skype-Kamerabildschirm ist doch auch mal eine Herausforderung. Und die Botschaft der Nächstenliebe und Solidarität wäre um einiges greifbarer, wenn jeder statt erzwungenen Internetbestellungen Gutscheine von lokalen Geschäften verschenken würde, die dann bei erneuter Ladenöffnung eingelöst werden können und die den wirtschaftlichen schwer getroffenen Kleinunternehmern helfen würden, die Krise zu überbrücken. Oder wenn gleich selbstgenähte Atemmasken verschenkt würden.


Das Osterfest, das in Sachen Sensationswert und Geschenkewertschöpfung fast immer gegen Weihnachten verliert, muss dieses Jahr neues Gewicht zugemessen werden. Ob nun Kirchengänger oder Eierfärber aus Gewohnheit, religiös oder atheistisch, die tiefere Botschaft, die die Auferstehung im Christentum aussagt, war schon lange nicht mehr so aktuell. Eins ist sicher, es wird uns allen in Erinnerung bleiben, das skurrile Ostern allein zuhause, das uns vielleicht ein bisschen Hoffnung schenken konnte.


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