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Die Qual der Wahl (Teil 1)

Aktualisiert: 7. Feb. 2020

Alle Jahre wieder müssen Elftklässler ihre Kurswahl für die Oberstufe hinter sich bringen und entscheiden damit maßgeblich über ihre weitere schulische Laufbahn. Damit ihr euch damit nicht so verloren fühlt, geben wir euch ein kurzes Briefing zu unseren bisherigen LK-Erfahrungen. Teil 1 stellt die Fächer Deutsch, Geschichte, Kunst, Musik, Politik-Wirtschaft, Religion, Französisch und Englisch, Chemie, Physik und Mathe vor.


Wonach wählen?

Herr Schmuck wird es vermutlich schon hin und wieder in die Runde gerufen haben, wenn ihr eure Kurse nur so wählt, dass möglichst wenig Zeit in der Schule verbringen müsst, spart ihr am falschen Ende eurer Energie. Lieber eineinhalb Jahre lang die Hobbys runterschrauben und mehr Zeit mit Hausaufgaben verbringen und dafür Kurse haben, die euch durch Interesse und Talent-Punkte einbringen und die ihr auch bis zu sechs Stunden die Woche aushaltet. Die Kurse ausschließlich nach Bestpunktzahl zu wählen, so wie es mir oft in der elften Klasse geraten wurde, würde ich auch nicht uneingeschränkt unterschreiben.

Falls ihr schon konkretere Vorstellungen eines Studiengangs, Ausbildung oder eine Traumuniversität habt, lohnt es sich, im Internet zu recherchieren, ob für manche Fächer Mindestpunktzahlen oder die Teilnahme eines bestimmten Leistungskurses erwartet wird. So ist beispielsweise für manch ein Medizinstudium die Wahl vom Chemie-LK erforderlich. Es muss nicht gleich ein CAE-Zertifikat sein, aber wer Englisch nach der 11 abwählt, wird das wohl in jedem Bewerbungsgespräch erklären müssen. Auch an deutschen Unis werden Studiengangmodule zunehmend in englischer Sprache unterrichtet, für Auslandsaufenthalte werden Sprachqualifikationen verlangt und auch viele mittelgroße Unternehmen sind inzwischen global aufgestellt - mit Englisch als "Lingua Franca".

Fast jeder ist am Anfang der Qualifikationsphase von den Punktzahlen der ersten Klausuren enttäuscht. Das liegt daran, dass den Operatoren und damit der präzisen Antwort auf eine Fragestellung mehr Gewicht zufällt als in der Unterstufe. Das wird über die Zeit besser. Und eins noch. Macht euch bloß nicht zu viele Sorgen um vier- und sechsstündige Klausuren. Ihr habt einfach viel mehr Zeit für ein klein wenig mehr Aufgaben. Es gibt nichts Entspannteres.

Deutsch

Ein LK der sich bei vielen ins Profil schleicht. Diejenigen, denen das Fach in der Sek 1 gefiel, werden es in der Oberstufe lieben, diejenigen, die es als Platzhalter nutzen, werden eventuell mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Das Niveau ist hier nicht zu unterschätzen. Es werden nun nicht mehr grundlos Figuren aus „Nennt mich nicht Ismael“ charakterisiert und auch keine Satzglieder mehr bestimmt. Im LK geht es um Kunstepochen, Philosophie und eigentlich um alle gesellschaftlichen Themen, die jemals durch Literatur thematisiert wurden. Allerdings ist die Methodik, die für den Unterricht und in den Klausuren relevant wird, durchaus in dieser Form schon in der Unterstufe erprobt worden und unterscheidet sich wenig. In den Klausuren kommt es vor allem auf präzise Formulierungen an. Meist ist die Kernaussage eines Textes in der Klausur allen klar, weil die Thematik im Unterricht behandelt wurde, viele Punkte bekommt aber nur, wem es gelingt, seine Analyse in der Klausur überzeugend formuliert darzulegen. Wer gerne liest, schreibt und präzise formuliert (oder bereit ist, es zu lernen), der wird im Deutsch-LK gut aufgehoben sein.

Geschichte

Auch dieser LK gehört zu der Gruppe der viel besetzten. Die typische Aufgabe besteht, wie auch in der Unterstufe, darin, Quellen zu analysieren und sie in den historischen Kontext einzuordnen. Natürlich kommt auch niemand darum herum, bestimmte Jahreszahlen und Geschehnisse auswendig zu lernen. Wer diese Methodiken jedoch gut beherrscht, kann sich im Geschichts-LK ruhig ab und an zurücklehnen und kann auch sein Lernpensum etwas zurückschrauben. Die Meinungen zu Geschichte gehen weit auseinander, einerseits kann Geschichte wegen seiner methodischen Regelmäßigkeit als sehr trocken empfunden werden, andererseits birgt eben dieser methodische Konsens die Möglichkeit, inhaltlich tiefer zu gehen und spannende Parallelen zu Politik und Philosophie zu ziehen. Es gibt eigentlich keinen einschneidenden Grund, dieses Fach nicht zu wählen. Wer sich nicht für Geschichte begeistert, muss nur gelegentliche Langeweile befürchten. Wer sich für Geschichte begeistert, eigentlich gar nichts.

Kunst

Das erste Vorurteil wird gleich zu Beginn abgehakt: Für den Kunst-LK muss man nicht zwangsläufig gut zeichnen können. Da Praxis und Theorie jeweils etwa die Hälfte der Bewertung ausmachen und man sich in auch in der Abiturklausur für einen Schwerpunkt entscheiden kann, kann jeder seine persönlichen Schwächen ausgleichen. Generell sollte man jedoch Kreativität besitzen und ganz nach dem Motto „think outside the box“ auch unkonventionelle Ideen und Interpretationen zum Unterricht beisteuern. Dabei muss man aber auch auf Knopfdruck und unter Zeitdruck kreativ sein, da die Arbeit an praktischen Projekten nur in der Schule stattfindet. Wer Spaß am Malen und Zeichnen hat, kann sich aber darüber freuen, dass die Aufgaben interessanter und vielseitiger sind als in der SEK1. Größere Formate und andere Malutensilien als Tusche und Pinsel. Auch theoretisch wird der Unterricht vertieft. Im Vergleich zu anderen Fächern muss für Kunst eher wenig gelernt werden.

Musik

Wer von der Liebfrauenschule kommt, sollte zumindest methodisch und inhaltlich in keinem Musik-LK in ganz Oldenburg einen Nachteil haben. Wer seit Jahren Musik im Unterricht macht und analysiert, ist gut gewappnet für den Leistungskurs, denn auch hier besteht der Unterricht und die Aufgaben der Klausuren aus Themenbeschreibungen und Wirkungsanalysen, man kennt’s. Darum ist der Unterricht auch nur wenig anspruchsvoller als in der SEK1. Im Vergleich zum Grundkurs ist dafür im Leistungskurs neben der Theorie auch Zeit für reichlich Praxis, mehrstimmig Singen, Musizieren oder Komponieren. Wer das nicht kann oder keinen Spaß daran hat, steht dann eventuell etwas blöd da. Weswegen musikalisches Talent oder ein generelles Interesse an klassischer Musik nicht zu unterschätzen ist. Wer sich praktisch engagiert und zusätzlich Ahnung hat, der muss sich normalerweise auch keine Sorgen um seine Noten machen.

Politik

Jedenfalls in unserem Jahrgang ein kleiner LK, der sich durch großes Interesse und Können der Schüler auszeichnet. Thematisch sind wohl wenig Fächer alltagsrelevanter und aktueller, Politik kann deshalb, besonders wenn es gut unterrichtet wird, sehr spannend sein. Einige Unterschiede zur SEK1 sollten jedoch nicht unerwähnt bleiben: Thematisch liegt der Schwerpunkt im LK verglichen mit dem GK eher auf der Theorie als auf dem aktuellen politischen Geschehen an sich. Das führt dazu, dass der Unterricht philosophischer und abstrakter wird, aber auch dazu, dass man Weltpolitik tiefer durchblicken kann als je zuvor. Die Klausuren sind relativ anspruchsvoll, gerade am Anfang werden wohl viele Schwierigkeiten haben, den Operatoren gemäß präzise genug zu formulieren (Stichwort Kernthese herausfinden. Ganz wichtig.)

Religion

Auch Religion steht in einer Reihe mit all den Fächern, die wirklich nur von denjenigen gewählt werden, die wirklich einen guten Grund dafür sehen. Und wie in all diesen Kursen sitzen auch im Religions-LK nur die wirklich Interessierten und Engagierten, wodurch eine angenehme Lernatmosphäre entsteht. Im Unterricht beschäftigt man sich in den einzelnen Halbjahren mit übergeordneten religiösen und philosophischen Fragestellungen, wie man sie im Ansatz auch schon aus der Unterstufe kennt. Dazu werden Texte von Theologen und anderen Experten zu Rate gezogen, analysiert und bearbeitet. Solche Texte sind häufig anspruchsvoll (weil zum Beispiel sehr alt) und erfordern viel Konzentration und geistige Eigenleistung. Nach Abschluss einer Einheit sind die anfänglichen Fragestellungen in Religion keineswegs beantwortet. Vielmehr wurden Meinungen kontextualisiert und Bewertungsmaßstäbe zur eigenen ethischen Urteilsbildung geschaffen. Je nach Ansicht ist das eher frustrierend oder gerade herausfordernd: die eigene Meinung und die Fähigkeit, diese zu begründen, zählt weit mehr als biblische Formulierungen oder geschichtliche Fakten. Ähnlich wie in Politik wird auch hier in den Klausuren operatorentechnisch mehr Präzision erwartet, als es viele aus der SEK 1 gewohnt sind. Nur mit Beten kommt hier niemand weiter, ein Grundinteresse an Religionen, Ethik und Philosophie ist aber natürlich sinnvoll.

Französisch und Englisch

Gerne auf Englisch zu lesen und zu schreiben, ist auf jeden Fall Voraussetzung. Der Unterricht und auch die Hausaufgaben sind mit viel Schreibarbeit verbunden. Und mit Lesen der zahlreichen Lektüren. Anders als in Französisch wird in Englisch auch sehr umfangreich und auf hohem Niveau analysiert, auch dafür sollte man Engagement zeigen. Daraus entstehen im Umkehrschluss aber auch häufig spannende Diskussionen über aktuelle und gesellschaftliche relevante Themen. Achtung an alle, die im englischsprachigen Ausland waren oder dort noch unterwegs sind: Sehr gute mündliche Noten sind nicht selbstverständlich. Gerade in den USA erlernt man eher umgangssprachliches Alltagsenglisch als Formulierungen, die im Unterricht weiterhelfen. Der Englisch-LK ist auf jeden Fall alltagsrelevant, da man heutzutage fast überall mit der englischen Sprache in Verbindung kommt und deshalb im späteren Leben auf jeden Fall Vorteile aus dem intensiven Sprachunterricht zieht.

Französisch ist ein sehr anspruchsvoller Leistungskurs. Wenn schon Sprache sein muss, fällt die Wahl eher auf Englisch und dementsprechend erlesen kommt man sich auch im entsprechenden Französisch-LK vor. Darum müssen sich die meisten erst an das Niveau gewöhnen, das sich doch sehr von Französisch in der Unterstufe unterscheidet. Auf den ersten Blick jedenfalls. Auf den zweiten Blick ist die Stimmung ziemlich entspannt und der Unterricht zumindest methodisch gar nicht so anders als in der SEK1. Tatsächlich sind die Pflichtmedien in französisch im Vergleich zu Englisch weniger anspruchsvoll in der literarischen Analyse. Maupassant und Hugo tauchen in Französisch seltener auf als Shakespeare und Austen in Englisch. Für eine gute mündliche Note kommt es vor allem auf regelmäßige Beteiligung und Interesse am Fach an. Auch ein Großteil der Grammatik wird wiederholt, etwas das in Englisch nicht mehr unbedingt selbstverständlich ist. Ein Tipp: Lasst auch nicht von flüssig sprechenden Austauschabsolventen einschüchtern. Vielmehr solltet ihr selbstständig Vokabeln lernen, euch in die Sprache einlesen und einhören, dann wird der Französisch-LK euch erfreulich hohe Punkte bescheren. Mediation und Hörverstehen sind weiterhin wichtige Begleiter des Unterrichts sowohl in Englisch als auch in Französisch, außerdem werden erstaunlich viele Kreativaufgaben gestellt.

Chemie, Physik und Mathe

Generell wird im Unterricht der Erwartungshorizont zur Grundlage gemacht und damit auf alle Inhalte der Unterstufe aufgebaut. Die Stoffe werden vertiefter, teilweise aber auch mit höherem Tempo durchgenommen, dabei spielt die Mathematik eher eine größere Rolle als in der SEK1. Die Klausuren sind eine Mischung aus Rechenaufgaben und Aufgaben, in denen angelerntes Wissen angewandt oder (chemische, physikalische) Vorgänge argumentativ dargelegt werden müssen. Das ist relativ lernaufwendig, da Faktenwissen grundlegend für alle Aufgabenbereiche ist.

Schüler im Chemie-LK brauchen ein Verständnis für die Umformung von Formeln und Einheiten und ein Grundverständnis für Logik, Mechanismen und Mathematik. Und natürlich ein Interesse für Naturwissenschaften.

Für Physik braucht man ein gutes Zahlen- und Formelgedächtnis, mathematisches Grundverständnis, logisches „gerades“ Denken und eine gute Merkfähigkeit. Auch wenn in jeder Klausur die Formelsammlung benutzt werden darf, muss man im Kopf den Überblick über Anwendungen und Umformungen der Formeln behalten. Außerdem muss auch das Wissen über die Versuche, die im Unterricht stattfinden, dauernd in anderen Zusammenhängen angewandt werden. Deshalb ist Physik, wie auch andere Naturwissenschaften, lernintensiv. Das Lernniveau und das Unterrichtstempo unterscheiden sich merklich von der Unterstufe (was hauptsächlich an der begrenzten Zahl der Schüler liegt), die Arbeitsweisen und Inhalte jedoch kaum.

Es ist von Vorteil, gut in Mathe zu sein oder sogar Mathe-LK zu haben, einfach weil Rechenwege und -regeln in jeder Aufgabe Basis sind. In Physik und Chemie ist es vergleichsweise einfach, Inhalte mithilfe des Buches zu wiederholen beziehungsweise selbst zu erarbeiten. Der Vorteil ist, dass eine Bewertung weniger subjektiv ist als in sprach- oder gesellschaftswissenschaftlichen Fächern und dass Ergebnisse leicht als richtig oder falsch bewertet werden können. Das erhöht die Transparenz. Zudem ist dadurch die volle Punktzahl in Naturwissenschaften häufiger als in den Geisteswissenschaften.

Mathematik ist aufgrund ihrer Abstraktion schwieriger. Noch mehr als in Physik und Chemie baut alles aufeinander auf und in den Klausuren wird ein größerer Schwerpunkt auf korrekte mathematische Schreibweisen gelegt. Die Rechenregeln aus der SEK1 sind Voraussetzung, das Tempo des Unterrichts schneller. In jeder Klausur gibt es einen relativ anspruchsvollen Ohne-Hilfsmittel-Teil (also ohne Taschenrechner). Die Spreu trennt sich vom Weizen bei den Anwendungsaufgaben, die man sich in dieser Form erst gewöhnen muss. Für eine gute mündliche Note muss man aber nicht immer alle Rechnungen bis ins Tiefste durchdringen, punkten kann man auch immer mit Fragen und Interesse.

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