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Einen Tag Kakaohändler

Aktualisiert: 3. Feb. 2019

Von Adrian Dittrich - Im Rahmen des Konzepts zur Fair-Trade-Schule lernten alle Schüler des 11. Jahrgangs in den vergangenen Wochen das Thema Fairtrade genauer kennen. Mit einem Planspiel zum Kakaoanbau und Schokoladenhandel wurde diese Einheit nun praxisnah vertieft.



Auf den Tischen liegt Schokolade mit GEPA-Siegel. Wie an einem Konferenztisch sitzen Schüler, präsentieren ihre Ideen und debattieren über andere Ansätze. Es bietet sich ein ungewohntes Bild in den Räumlichkeiten der Kreuzkirche in Oldenburg an diesem Donnerstagvormittag. Alle Schüler des elften Jahrgangs schlüpften für einige Stunden in fremde Rollen und lernten eine unbekannte Lebenswelt kennen. Als Vertreter einer „Chocolate-Company“, Delegierte der Regierung oder auch Kleinbauern diskutierten sie über die Zukunft des Kakao-Anbaus in Latinien, einem fiktiven südamerikanischen Land. Lediglich das Endprodukt selbst war ihnen dabei wohl sehr vertraut. Das Planspiel bildete einen abschließenden Projekttag zum Debüt des „Vernetzen Lernens“ im elften Jahrgang.


Über mehrere Wochen wurden vorgesehene Lernaspekte in sechs Unterrichtsfächern in das Oberthema „Fairtrade“ eingebunden und so ein für die meisten Schüler und Lehrer neuartiges Unterrichtsprogramm ausprobiert. Genauso neu ist auch das Planspiel selbst. Aufgrund mangelnder Materialen von großen Bildungszentralen oder Fairtrade-Organisationen entschloss sich LFS-Lehrer Serjosha Hoppe, selbst ein Planspiel zu diesem Thema zusammenzustellen. Herausgekommen ist ein vormittagsfüllendes Programm mit zahlreichen Materialien und einer professionellen Gestaltung. Im Mittelpunkt steht die Frage nach der Zukunft von Kakaoanbaugebieten in einer fiktiven Region. Eine große „Chocolate-Company“ konkurriert mit der Fairhandels-Gesellschaft „GEPA“ um die Kooperation von Kleinbauern und Plantagenbesitzern. Gleichzeitig behält die Regierung die Interessen ihrer Bürger im Blick und kann über Subventionen und Steuern eine politische Leitlinie festlegen. Doch ist diese nun eher nachhaltig-ökologisch oder doch ökonomisch?


Und mit wem kooperieren die Kakaobauern? Suchen sie das schnelle Geld oder streben auch sie nach Nachhaltigkeit? Viele Fragen, die die Schüler aus der Debatte heraus beantworteten, aber recht frei gestalten konnten. Gerade hierin sieht Initiator Hoppe den Erfolg, denn im Austausch mit seinen Kollegen stellte er fest, dass sich die Planspiele ganz unterschiedlich entwickelt hätten und dadurch auch die einzelnen Interessenvertreter mal von größerer oder geringerer Bedeutung gewesen seien. Handlungsspielraum lässt das Planspiel genug: Die Positionierung der Teilgruppen aus jeweils drei oder vier Schülern basierte auf Rollenkarten mit Handlungsoptionen und Materialien, die nur ausgewählten Interessensgruppen zur Verfügung standen. In einer Selbstfindungsphase wurden dann zunächst eigene Positionen ausgearbeitet, bevor es in die Verhandlungen ging. Diese waren zunächst begrenzt auf fiktive E-Mails und durch „Flugtickets“ in der Anzahl begrenzte direkte Gespräche. Erst in der Konferenzphase wurden die vielen Interessenskonflikte den Teilnehmern deutlich.


Vorher gemachte Überlegungen zu Kooperationen konkurrierten zu Ansätzen anderer Gruppierungen und warfen neue Konfliktlinien auf. Immer wieder gab es gute Ansätze, wie fairer Handel auch wirtschaftlich verbreitet werden könnte und Kooperationen schienen sinnvoll, doch zeitweise war Unsicherheit nicht nur in der Beantwortung der fiktiven Problemfrage deutlich spürbar, sondern auch in den Reihen der Schüler. Positionierungen wirkten schräg und strebten kurz gedacht nur nach kurzfristigem Gewinn und selbst die Regierung schien kein Problem im groß angelegten Landkauf durch ausländische Investoren zu sehen. Gezielte Nachfragen der betreuenden Lehrkraft und hypothetische Überlegungen mithilfe sogenannter Ereigniskarten führen zu einer reflektierten Auseinandersetzung. Am Ende wurden gerade die Konfliktlinien und Zielrichtungen für den kakaoproduzierenden Staat sehr deutlich: Bildung, Außenwirkung des Staates, nachhaltige Entwicklung und technologischer Fortschritt wurden gepaart mit für uns selbstverständlichem Demokratiestreben und besseren Perspektiven für den Nachwuchs. Dabei wurde schnell offensichtlich, dass vieles immer noch von Geld abhängig ist und verlockende Investitionen aus dem Ausland langfristig nicht immer zielführend sind.


Außerdem war schon im Kreis von „nur“ achtzehn debattierenden Schülern, also der normalen Kursgröße, spürbar, wie schwierig die Kompromissfindung zwischen Interessensgruppen sein kann und dass gerade die Verknüpfung von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft diese nicht unbedingt erleichtert. Im reflektierenden Abschlussgespräch zeigte sich Einigkeit darin, dass das Planspiel einen neuen Blick auf das gesellschaftlich sehr einseitig geprägte Thema „Fairtrade“ ermöglicht habe, was wohl die recht offene Gestaltung der Positionierungsgrundlagen ermöglichte. Trotz der guten Veranschaulichung der Abläufe und Interessen zeigte sich im Gespräch mit einem Schüler ein kleiner Kritikpunkt: „Durch den begrenzten Zugriff auf Materialien und die unterschiedliche Grundlage hatten wir nur wenige Informationen, wodurch die Debatte relativ wenig differenziert war.“ Dabei handelt es sich aber wohl eher um fehlende Erfahrungswerte mit dem neuen Projekt, welches die Schüler als erste Probanden durchliefen. Hoppe jedenfalls zeigte sich zufrieden mit dem Ablauf des Vormittags und zeigte sich offen für Anregungen zur Optimierung des Planspiels. Eine Neuauflage ist also durchaus denkbar, denn der Rahmen des Planspiels zur besseren Nachvollziehbarkeit der Abläufe und Schwierigkeiten beim fairen Handel konnte überzeugen.

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