Von Adrian Dittrich - Die EU hat ein fatales Image-Problem: Sie wird als zu bürokratisch wahrgenommen und genießt erschütternd wenig Vertrauen. Der 18-jährige Adrian Dittrich erklärt, was sich ändern muss. Sein Kommentar ist auch als Podcast zu hören.
Bild: Kay Nietfeld/dpa (Collage)
Es ist ein einzigartiges Projekt, welches seit Jahrzehnten den europäischen Frieden stabilisiert, wirtschaftliches Wachstum durch einen riesigen Binnenmarkt fördert und Europa ein Stückchen näher zusammenrücken lässt: Die Europäische Union.
Erst im Urlaub merken wir so richtig, was es bedeutet, Europäer zu sein: Das Schengener Abkommen ermöglicht uns ungehinderte Reisefreiheit in unsere Nachbarländer, mit dem Euro können wir bezahlen, ohne zunächst eine Wechselstube aufsuchen zu müssen, und vor allem südeuropäische Regionen sind mit EU-Fördermitteln infrastrukturell deutlich aufgewertet worden. Über die Jahre ist die EU so auf stolze 28 Mitgliedstaaten angewachsen. Doch in den letzten Jahren wird der europäische Gedanke immer mehr hinterfragt. Die Briten sprachen sich sogar – wenn auch knapp – für einen Austritt aus und auch in anderen Ländern wächst die Zustimmung für rechte Parteien, die deutlich europakritisch orientiert sind. Die Zukunft scheint nach der Europawahl wieder etwas ungewiss, dabei ist die Europäische Union in ihrer jetzigen Form unverzichtbar!
Das zentrale Problem der EU ist das erschütternd geringe Ansehen und Vertrauen. In fast der Hälfte der Mitgliedsstaaten überwog in offiziellen Befragungen das Misstrauen in die europäische Politik. Und leider ist das Problem hausgemacht: Zum einen wirkt die EU viel zu bürokratisch, was unter anderem damit zusammenhängt, dass der Normalbürger vor allem mit Verordnungen in Kontakt kommt (wir erinnern uns an die Datenschutz-Grundverordnung), die trotz ihrer Berechtigung oft eher als lästig empfunden werden. Zum anderen hat es die EU in näherer Vergangenheit nicht geschafft, in bedeutenden Grundsatzfragen eine gemeinsame Position zu finden. Die Flüchtlingsfrage, der Klimaschutz oder auch kürzlich die Digitalsteuer ließen sich nicht europaweit regeln und selbst Kompromisse gestalten sich oft schwierig.
Was fehlt, ist eine klare Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der EU und den souveränen Einzelstaaten sowie zwischen den europäischen Organen selbst, die für mehr Transparenz und Wirkung der europäischen Politikprozesse sorgt. So frage ich mich, was ich mit meiner Wählerstimme ausrichten konnte, zumal ich mit Bedauern feststellen musste, dass die Ergebnisse vorwiegend in Hinblick auf die nationale Ebene gedeutet wurden. Die Sitzverteilung der politischen Grundrichtungen und eine daraus resultierende Ausrichtung der Europäischen Union in den nächsten Jahren wurden im Vergleich zu dem Stimmverlust der deutschen Volksparteien nur kaum thematisiert. Ohnehin ist die europäische Politik sehr viel mehr abhängig von Räten aus den Regierungschefs oder Außenministern als vom direkt über die Wahl legitimierten EU-Parlament, was gemeinsame Entscheidungen nicht erleichtert. Unter anderem in der gemeinsamen Außenpolitik macht es das Einstimmigkeitsprinzip aus den Anfangsjahren der EU mit sechs Mitgliedern heutzutage nahezu unmöglich einen Konsens mit allen 28 Mitgliedern zu finden.
Bevor also über das zurecht umstrittene Konzept eines europäischen Bundesstaates oder Vorstufen wie eine europäische Armee oder einen gemeinsamen Finanzminister gesprochen wird, braucht Europa eine neue Struktur, die den aktuellen Anforderungen gewachsen ist. Europakritik wird am effektivsten entschärft, wenn die EU weniger als Behörde wahrgenommen wird, die sich über nationale Interessen stellt, sondern die Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte und Vorteile für die Zukunft wieder deutlich erkennbar werden. Denn so viel ist für mich klar: Zur Lösung der großen Fragen einer zunehmend globalisierten Welt ist die Europäische Union schon genau der richtige Ansatz.
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