Von Johanna Tapper - Schluss mit immergleichen Häuserreihen und standardisierten Wohnungen! Wie Städte besser auf den Wohnungsmangel reagieren können, beschreibt Johanna.
(Collage)
Bild: Axel Heimken/dpa
Kennen Sie das Baugebiet Eversten West? Dann ist Ihnen sicher aufgefallen, dass auch dort, wie auf so vielen ehemaligen Wiesen Häuser aufgereiht stehen, die wie ein Ei dem anderen gleichen. Bei Betrachtung anderer Baugebiete mag die penibel gegitterte Ansammlung an Grundstücken noch als vergleichsweise wohnlich erscheinen. Doch selbst dort bleibt das immense Potenzial, das im Schaffen neuen Wohnraumes besteht, weitgehend unbeachtet.
Auf steigende Mieten reagieren Städte in ganz Deutschland sinnvollerweise mit einem erhöhten Wohnungsangebot. Doch scheinbar fehlt der Mut zum Brechen mit vertrauten Strukturen oder das Vertrauen in visionäre Städtebaukonzepte. Denn alles, was auf den Abriss von schlecht gedämmten Nachkriegseinfamilienhäusern folgt, sind die immergleichen Quader mit standardisierten Wohnungen und einer Tiefgaragenzufahrt anstelle des Gartens. Nachhaltig ist das nicht. Grundriss und Außenprofil eines neuen Hauses sind wohl schon vor Baubeginn alternativlos, denn der abenteuerlichste Ausbruch aus gewohnten Mauern scheint die Entscheidung für eine gewagte Klinkerfarbe zu sein.
Dabei kann durchdachte Stadtplanung und Gebäudearchitektur wortwörtlich „Raum geben“ für Veränderung: Lebensqualität wird erhöht durch einen kurzen Weg zur Arbeit, einen Kitaplatz, oder durch eine Bank im Grünen mitten in der Stadt. Mit der Stadtarchitektur wird nichts Geringeres als unser tägliches Leben am Reißbrett entworfen, und die Wichtigkeit der Planung nimmt zu, denn: Schon 2050 werden zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben. Diese Städte sind Spiegel unserer Lebensweise und Bühne für gesellschaftliche Konflikte. Von diesen ist die Wohnungsnot nur die Spitze des Eisbergs.
Denken wir an den demografischen Wandel, die schwindende Biodiversität, die politische Spaltung der Gesellschaft: Uns erwartet eine komplexe und schnelllebige Zukunft, wir sollten also wandelbare und vielseitige Städte bauen. Stattdessen bildet die Umgebung, die wir errichten, die Bequemlichkeit und das absolute Verharren in gewohnten Zuständen ab. Der Sinn von Weltverbesserungsideen wie „Foodsharing“, Flohmärkten, Kleidertauschaktionen und „Repaircafés“ ist mittlerweile so naheliegend, dass ich mich frage, warum sie nicht längst in jeder Straße umgesetzt werden. Ich behaupte, dass eine darauf ausgelegte Raumgestaltung dabei helfen kann, die Bürgerbeteiligung zu erhöhen.
Abgesehen von dem verfehlten Potenzial in Sachen Nachhaltigkeit fällt bei Betrachtung der Städte noch etwas anderes ins Gewicht. Die Stadtpläne unserer Zeit sind Flickenteppiche von analogen Filterbubbles, sogenannten gated communities. In unserem direkten Lebensumfeld begegnen wir hauptsächlich Menschen desselben gesellschaftlichen Milieus, mit gleichen Weltanschauungen, Chancen und Problemen. Und nicht nur soziale Milieus wurden in unseren Städten getrennt: Wir sehen es als selbstverständlich an, dass es im öffentlichen Raum mehr oder weniger voneinander abgeschnittene Zonen für Gewerbe, Erholung, Einkauf und Wohnen gibt. Heute müssen wir vielmehr darüber nachdenken, die überholte Trennung der Lebensbereiche wieder aufzuheben, um die Städte den Anforderungen moderner Arbeits- und Lebenswelt anzupassen.
Wenn neue Baugebiete erschlossen werden, sollte bei Bebauungsplänen auf die Durchmischung von Gewerbe- und Wohnraum, von sozialen Milieus und Generationen geachtet werden. Einzelne Wohngebiete sollten repräsentative Abbilder der Gesellschaft werden, die in Zeiten von politischer Polarisierung und Rechtsdruck nichts stärker braucht als intensiven Diskurs im realen Leben. Wir müssen einen Raum der Begegnungen erschaffen.
Kurz gesagt, in einem Bereich, der großes Potenzial hätte, unsere Lebensqualität und das gemeinschaftliche Zusammenleben zu verbessern, werden überholte Strukturen fortgeführt. Die gute Nachricht: Es müssen ja noch viele Häuser gebaut werden.
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