Von Nora-Lianne Meis - Niemand allein, keine Stadt, kein Staat auf dieser Welt wird die absehbare Klimakatastrophe, auf die wir selbstverschuldet zusteuern, aufhalten können. Dennoch ist es alles andere als egal, was wir tun. Auch wenn wir mit Radfahren in Oldenburg nicht das Klima retten.
Klimaschutz ist in aller Munde und die wenigsten von uns würden die Relevanz in unserer Zeit verneinen. Aber Klimaschutz ist nicht bei allen Menschen gleich verortet, d.h., es versteht jeder unter Umständen etwas Anderes oder Individuelles darunter. So auch in Oldenburg. Während hier die einen beispielsweise bereits den motorisierten Individualverkehr als System der Vergangenheit ansehen und den Übergang zur kohlenstofffreien Mobilität durch Elektrofahrzeuge und Radfahren als greifbar nahe sehen, hegen andere große Zweifel an der Realisierung und Sinnhaftigkeit des vorzeitigen Ersatzes von aktuellen Kraftfahrzeugen und entsprechender Infrastruktur und der Bereitstellung ausreichender elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen.
Die Forderungen von Fridays for Future müssen eben nicht nur freitags, sondern die ganze Woche funktionieren
Radfahren mag gesund und umweltfreundlich sein, liegt aber trotzdem nicht jedem und auch mit einem E-Bike lassen sich nicht automatisch größere Distanzen im nationalen Maßstab überwinden. Hier müssen noch viel mehr Ideen für eine funktionierende alternative Mobilität für die Stadtbevölkerung in Oldenburg gesammelt werden und deren Umsetzung erfordert ein zeitlich abgestuftes Angebot, das die Oldenburger mittragen und auch individuell und kommunal finanzieren können. Die Forderungen von Fridays for Future müssen eben nicht nur freitags, sondern die ganze Woche funktionieren. Höhenflüge bringen uns in Oldenburg nicht weiter, hier muss ein realistisches Maß zu einer klimaschonenderen Entwicklung des Mobilitätssektors sowie aller anderen Bereiche des Lebens gefunden werden.
Der Erde und dem Universum ist die Existenz der Oldenburger und sogar der ganzen Menschheit ziemlich egal
Andererseits, wer sagt überhaupt, dass diese Welt mit menschlichem Verstand für klimaschonende technische Erneuerungen vom mit menschlichem Unverstand erzeugten Klimaschäden geheilt werden muss? Der Erde und dem Universum ist die Existenz der Oldenburger und sogar der ganzen Menschheit ziemlich egal. So wie sich durch natürliche Prozesse der Erosion im Laufe der kommenden Jahrmillionen selbst die Alpen wieder einebnen werden, so kann eben auch der Einfluss von Menschen auf die Klimaentwicklung einen im Maßstab der Erdgeschichte winzigen Peak darstellen, den die Erde selbst ohnehin klimatisch vollkommen anders und grundsätzlicher regelt. Letztendlich handeln wir im Klimaschutz aus völlig eigenem Interesse und sollten ihn genau deshalb so ernst nehmen.
Aber wenn wir den Zeitraum auch wieder enger fassen und im Hinblick auf künftige menschliche Generationen unser persönliches Zutun zur Klimaänderung überdenken müssen und kluges Handeln erforderlich wird, so kann das Klima auch an ganz anderer Stelle von großer Bedeutung sein. Niemand allein, kein Individuum, kein Staat auf dieser Welt wird die absehbare Klimakatastrophe, auf die wir selbstverschuldet zusteuern, aufhalten können. Hier ist globales Denken und weltweite Solidarität gefragt. Dazu müsste sich allerdings das Klima zwischen den bedeutenden Protagonisten, die die Menschheitsgeschichte aktuell steuern, im Feld der Politik erheblich entgiften.
Klimaungerechtigkeiten
Klimawandel stellt sich heute als weltumspannendes globales Problem dar, von dem aber die Regionen unterschiedlich hart betroffen sind. Das zwischenmenschliche Klima muss sich dazu verbessern, damit Politiker und andere maßgebliche Akteure die Klimakatastrophe als existenzbedrohend für alle Menschen begreifen. Während wir in Europa in den letzten zwei Jahrhunderten maßgeblich zur Klimaveränderung beigetragen haben und dennoch bisher vergleichsweise wenig von den Folgen des anthropogenen Klimawandels spüren und ggf. nur unsere schönen Urlaubsinseln im Südpazifik langsam untergehen sehen, sind in Afrika bereits ganze Regionen entvölkert oder die Menschen zur Migration gezwungen und das, obwohl sie einen äußerst geringen Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen haben.
Denn was nutzt die Förderung von Lastenfahrädern in Oldenburg, wenn gleichzeitig keine Verantwortung für den weltweiten Raubbau des so klimabestimmenden Regenwaldes übernommen wird. Natürlich ist es wichtig, dass jeder zuhause in seiner Stadt sich umweltfreundlich verhält und damit in seinem individuellen Wirkungskreis zum Klimaschutz beiträgt. Aber auch die großen Probleme erfordern ein genaues Hinschauen und politisches Handeln und Solidarität, die auch für uns hier in Oldenburg den Regenwald in Afrika und Südamerika schützen.
Das hat sehr viel mit finanziellen Ressourcen zu tun. Derjenige, der hier über mehr verfügt, muss auch den größeren Anteil übernehmen. Wir Oldenburger können natürlich auch unseren Anteil übernehmen durch Nutzung des Fahrrads für die Mobilität in der Stadt, durch Solarstromproduktion mittels entsprechender Panels auf unseren Dächern, durch Verringerung des klimaschädlichen Fleischkonsums, durch Vermeidung der Nutzung von Kunststoffverpackungen, durch Nutzung des ÖPNV oder ganz eigene Ideen, die man in seinen Alltag integrieren möchte.
Die im Titel gestellte Frage lässt sich also nicht als ein „entweder oder“ beantworten, sondern als ein „sowohl als auch“. Einerseits dürfen wir die Politik nicht aus der Verantwortung für die globalen Zusammenhänge des Klimawandels entlassen und müssen daher wohl weiterhin und nachhaltig für unsere politischen Interessen demonstrieren, so wie es uns die Fridays for Future-Bewegung seit inzwischen mehr als drei Jahren vormacht. Andererseits dürfen wir uns allerdings auch nicht als Einzelpersonen aus der Verantwortung stehlen und so tun, als hätten wir zum Klimaschutz keinen individuellen Beitrag zu leisten.
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